Interview|

Fulfillment für Luxusmarken

Interview mit Julia Boers, President für den Bereich Beauty & Luxury: Was ist im Luxussegment wichtig und was zeichnet den Markt aus? Was ist die Rolle von Arvato?

Unser Industriezweig Fashion, Beauty & Lifestyle betreut einige Luxury Brands. Wie ist der Markt strukturiert und welche Chancen gibt es für weiteres Wachstum?

Wir strukturieren den Markt entsprechend der generellen Markteinteilung in drei Bereiche. Das sind die Segmente Luxusmode, dekorative Luxusartikel wie Schmuck, Uhren oder Schreibgeräte und Luxus-Beautyartikel wie Kosmetik und Parfüm. Dabei dreht es sich immer um sehr hochwertige Produkte. Das Marktvolumen in allen Bereichen beträgt 2022 rund 310 Milliarden US-Dollar.

Bis 2030...

...soll der Markt jährlich um 5,4 Prozent auf bis zu 480 Milliarden US-Dollar wachsen. Das Forecasting ist aktuell allerdings aufgrund der geopolitischen Lage und deren Auswirkung auf globale Lieferketten und Konsumverhalten nicht einfach.

Auch wenn die Zielgruppen im Luxusbereich in der Regel über eine entsprechende Kaufkraft verfügen, beobachten wir weitere Veränderungen, die Prognosen erschweren. So werden die Kundengruppen jünger, Themen wie Sustainability gewinnen an Bedeutung und beim Kauf möchte man mehr Omnichannel, mehr digital, mehr integriert und mehr personalisiert – da ist viel Bewegung drin. Solche Entwicklungen und Anforderungen sind uns allerdings vertraut. Wir betreuen seit vielen Jahren das Onlinegeschäft für zahlreiche Fashion- und Beauty-Marken, deren Sortimente längst nicht mehr nur Kleidung und Kosmetik umfassen, sondern auch Schuhe, Handtaschen, Sonnenbrillen, Schmuck, Uhren, Füllfederhalter und weitere Artikel aus dem Accessoire-Bereich.

Diese Produkte sind dem Angebot der Premiummarken nicht unähnlich, so dass sich der Fashion- und Accessoire-Bereich häufig vermischen. Die große Expertise, die wir dabei erworben haben, bietet uns gute Chancen für weiteres Wachstum im Luxussegment.

Luxusmarken erwarten Luxus-Fulfillment. Worauf kommt es besonders an?

Das Wichtigste ist der richtige Umgang mit dem Produkt. Die Wertigkeit muss da klar im Vordergrund stehen – bei allen Prozessen vom Wareneingang über Einlagerung, Kommissionierung und Verpackung bis hin zum Versand. Dabei geht es vielfach darum, wie sich die Marke in allen Teilen der Wertschöpfungskette von anderen Unternehmen abheben kann. Also, was kann ich im Lager vielleicht anders machen, wie kann ich das Produkt verpacken oder wie schnell kann es bei den Endkund:innen ankommen? Häufig gibt es eine stärker individualisierte flexiblere Logistiklösung als bei großen Volumenaufträgen. Wir schauen da sehr genau auf unseren Kunden, dessen Wünsche und die Produkte, um einen wirklich erstklassigen Kundenservice zu gewährleisten.

Julia Boers, Präsidentin Beauty und Luxus bei Arvato

Das Wichtigste ist der richtige Umgang mit dem Produkt. Für die Sicherheit der Produkte im Warehouse gibt es unterschiedliche Lagerbereiche mit Zugangskontrolle sowie spezielle Käfige und Safes zur Einlagerung der Produkte.

Julia Börs President Beauty & Luxury

Welche Value Added Services sind gefordert?

Da gibt es eine ganze Reihe an Mehrwertleistungen – beispielsweise die aufwändige Verpackung oder Geschenkverpackung mit Handschuhen, Seidenpapier, Schleifen, Grußkarte etc., damit die Endkund:innen eine ähnliche Unboxing-Erfahrung wie im Handel haben. Hier beraten wir unsere Kunden sowohl beim Einkauf der Materialien als auch bei der Ideenfindung für neue Verpackungen. Dabei haben wir schon etliche Benchmarks gesetzt, achten aber immer auf die sinnvolle Balance zwischen Kosten und Effizienz im Lager. Ein weiterer Trend ist die zunehmende Personalisierung der Produkte – Stichwort Gravuren oder Veredelungen. Dafür haben wir Beschäftigte speziell geschult, die diese Tätigkeiten im Lager mit den entsprechenden Maschinen fachgerecht ausführen. Im Beautybereich mischen wir sogar individuell Parfüms oder Shampoos für Kunden. Das sind Prozesse, die sonst nur im stationären Handel durchgeführt werden.

Welche Rolle spielt das internationale Geschäft?

Das Luxusmarken-Segment ist ein globales Geschäft mit großen Unternehmen, die sehr international unterwegs sind. Für Marken, die ihre Supply Chain inklusive Transport und allen anderen Themen selbst managen, erhöht das stark die Komplexität. Da sehen wir schon Vorteile für Arvato, weil wir mit unserem Netzwerk und unserem IT Setup global aufgestellt sind und unsere Experten in den einzelnen Märkten viel Erfarhung mit vergleichbaren Kundenlösungen gesammelt haben. Da können wir auf jeden Fall punkten – ebenso wie beim Thema Trade und Compliance, wo wir über eine eigene Abteilung mit starkem Expertenwissen verfügen und für Kunden weltweit mittlerweile als Spezialist agieren.

Wie ist Arvato für diesen Markt gerüstet?

Mit unserem Leistungsportfolio sind wir grundsätzlich sehr gut aufgestellt und können sehr flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Wir übernehmen neben klassischen Logistikdienstleistungen wie Warehousing, Kommissionierung, Automatisierung und Transport Management auch zahlreiche Value Added Services und bieten umfassende Omnichannel-Lösungen für den B2C- und B2B-Bereich. Dazu kommt die Beratung, wo wir Kunden beispielsweise bei der Konzeption der generellen Supply Chain Strategie unterstützen. Dabei geht es darum, eine möglichst ideale Balance zwischen Nähe zum Kunden und der damit verbundenen Kapitalbindung in Lagerbeständen an Logistikstandorten zu finden.

Die Frage Hub-Bildung, Satellitenstandorte oder eine Zwischenlösung ist daher immer eine Abwägung, die wir pro Geschäft treffen müssen und für die wir am Ende eine individuelle und flexible Lösung konzipieren. Dabei blicken wir auch immer auf entsprechende Omnichannel-Lösungen. 

Für hochwertige und teure Luxusprodukte sind zudem Security und Fraud Management entscheidende Themen. Im Bereich Finance übernehmen wir daher für unsere Kunden Bonitätsprüfungen und die komplette Zahlungsabwicklung. Für die Sicherheit der Produkte im Warehouse gibt es unterschiedliche Lagerbereiche mit Zugangskontrollen sowie spezielle Käfige und Safes zur Einlagerung der Produkte. Sicherheitspersonal und Kameraüberwachung sind dabei Standard.

Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist auch die Auswahl der Automatisierungslösung. Diese bringen zum Teil per se im Bereich der Lagerung einen gewissen Sicherheitsaspekt mit sich.

Welche Erwartungen erfüllt Arvato?

Wichtig ist bei allen Leistungen die volle End-to-End-Transparenz. Wir prüfen also die Zahlungsabwicklung sowie die Lieferkette genau und treffen Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass das Produkt bei den Endkund:innen ankommt. Sämtliche Statusinformationen sind über die komplette Supply Chain bis hin zu den Endkund:innen nachvollziehbar und gleichzeitig die Basis für eine transparente Kommunikation und den einheitlichen Markenauftritt.

Wer hochpreisig kauft, erwartet einen gewissen Service und Exklusivität. Die Customer Journey muss somit von der Bestellung über die Finanzabwicklung bis hin zur pünktlichen Zustellung eine ideale Kundenerfahrung bieten. Als E-Commerce‑Dienstleister mit starkem Endkunden-Fokus ist das auch unser Anspruch. Daher schauen wir, mit welchen Transporteuren wir unter Berücksichtigung der Aspekte Sicherheit und Service die Ware versenden. Ebenso nutzen wir die Daten, die wir entlang der gesamten Supply Chain generieren, um die Customer Journey laufend zu verbessern.

Was ist der USP von Arvato?

Wir sehen uns als High-End-Partner für kundenorientierte und sichere Supply-Chain-Lösungen über alle relevanten Kanäle hinweg. Ein wesentlicher USP (Unique Selling Proposition) ist dabei, dass wir unsere Lösungen flexibel auf den Kunden und den Markt anpassen. Der Kunde steht im Mittelpunkt, und wir adaptieren unsere Lösung dann entsprechend seinen Anforderungen und Bedürfnissen. Andererseits berücksichtigen wir aber auch die Marktgegebenheiten und können schnell auf Veränderungen im Kundensegment oder in der Supply Chain reagieren und gegensteuern. Dazu kommt, dass wir eine gewisse Größe haben und mit unserem internationalen Netzwerk global aufgestellt sind.

Ein weiteres USP ist sicherlich unser Automatisierungs-Know-How. Wir verfügen bei Arvato über eine eigene Logistics Engineering-Abteilung, deren Experten unterschiedliche Automatisierungstechnologien unabhängig von Herstellern nach Anwendungsstandards geclustert haben. Aus diesem Baukastensystem werden dann die Module für jedes Projekt auf Basis der jeweiligen Anforderungen individuell zusammengestellt. Dazu prüfen wir im Vorfeld, ab welchem Schritt eine Automatisierung Sinn macht. So können wir je nach Volumen eher manuell starten und dann auf Automatisierung umschalten oder – wenn der Kunde nicht auf Exklusivität besteht – eine Multimandanten-Lösung mit dann günstigeren Prozesskosten anbieten.